Flora Mayo wird erstmals öffentlich in der meistverkauften Publikation Giacometti: A Biography, 1985 von James Lord in einer herablassenden und sexistischen Weise erwähnt. In dem Buch ist auch eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Mayo und Giacometti von circa 1927 abgebildet. Sie zeigt die beiden Künstler*innen in ihren zwanziger Jahren links und rechts neben einem Büstenporträt, das Mayo von Giacometti gemacht hatte. Die Fotografie des Paares faszinierte Hubbard/Birchler, sodass sie sich auf die Suche quer durch Europa und die Vereinigten Staaten begaben, um mehr über Flora Mayo zu erfahren und was ihr zugestoßen war. Bei ihren Recherchen entdeckten sie David Mayo, Floras Sohn, der einzige ihrer Kinder, der noch lebte und in der Nähe von Los Angeles wohnt. Die Arbeit Bust von Hubbard/Birchler entstand in Bezug auf die verloren gegangene Schwarz-Weiß-Fotografie und besteht aus einer Reproduktion des Bildes und der Rekonstruktion von Mayos zerstörter Skulptur.
Hubbard/Birchler erwecken Flora Mayos fesselnde Biografie aus einer feministischen Perspektive zum Leben, indem sie Rekonstruktion, Nachstellung und Dokumentation zu einer vielschichtigen Form des Geschichtenerzählens verknüpfen. Jede Seite der 2-Kanal-Installation Flora eröffnet eine andere Perspektive, obwohl sie sich dieselbe Tonspur teilen. Die Arbeit ist aufgebaut als eine fiktiver Dialog zwischen Flora Mayo, vertreten durch Auszüge aus ihren unveröffentlichten Briefen, und ihrem Sohn David, der nur wenig über die künstlerische Vergangenheit seiner Mutter wusste. So entwickelt sich in Flora ein vielschichtiger Dialog zwischen Mutter und Sohn, Mayo und Giacometti, Paris und Los Angeles, sowie Vergangenheit und Gegenwart.
Die irische, amerikanische und schweizerische Künstlerin Teresa Hubbard und der schweizerische Künstler Alexander Birchler arbeiten seit 1990 zusammen. In ihren narrativen Filminstallationen, Fotografien und Skulpturen beschreiten sie Grenzbereiche zwischen Realität und Fiktion, in die Erinnerungen, Wunschvorstellungen und biografische Erlebnisse mit einfließen. Die Sammlung Goetz, die bereits zentrale Arbeiten des Künstlerpaares wie die Trilogie Gregor‘s Room (1998/99), Single Wide (2002), Eight (2001) / Eighteen (2013) sowie House with Pool (2004) besitzt, hat die Entstehung von Flora schon früh gefördert. Sowohl Flora (2017) als auch Bust (2017) sind nun im Besitz der Sammlung Goetz.
Kuratiert von Susanne Touw
Mit Unterstützung von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung