Mona Hatoum
Roadworks
1985
1-Kanal-Video (Farbe, Ton)
6‘45‘‘
Sammlung Goetz, Medienkunst, München

Eine belebte Straßenszene im Londoner Stadtteil Brixton Mitte der 1980er Jahre: Passanten hasten mit vollgepackten Einkaufstaschen über verkehrsreiche Straßen vorbei an heruntergekommenen Läden und Verkaufsständen. Mittendrin schreitet eine schwarz gekleidete junge Frau mit nackten Füßen über das schmuddelige Trottoir. An ihren Fesseln hat sie mit Schnürsenkeln schwarze Dr. Martens Boots befestigt, die sie Schritt für Schritt hinter sich herzieht. Die meisten Menschen beachten sie kaum, einige bleiben verwundert stehen, schütteln den Kopf oder machen sich lustig über die Intervention der jungen Frau im Straßenraum. Es handelt sich dabei um eine Performance von Mona Hatoum, die sie im Rahmen eines Ausstellungsprojekts der Brixton Art Gallery aufgeführt und mittels Videoaufzeichnung dokumentiert hat. Der Stadtteil im Süden Londons ist ein Arbeiterwohnviertel, das von einer multi-ethnischen Gemeinschaft geprägt wird. In den 1980er Jahren kam es zu rassistisch geprägter Polizeigewalt gegenüber den farbigen Bewohnern, die zu einem Aufstand führte. Mona Hatoum nimmt auf diese politischen Ereignisse in ihrer Performance Bezug, denn die Dr. Martens Schuhe, die sie durch die Straßen von Brixton schleift, werden traditionell von der britischen Polizei getragen. Sie scheinen die Künstlerin, die barfuß nackt und verletzlich wirkt, wie ein dunkler Schatten zu verfolgen. Die schwarzen Dr. Martens Schnürstiefel sind aber nicht nur ein Teil der Uniform von Polizisten, sondern wurden auch von Punkern und Skinheads getragen. Im Kontext dieser Performance verkörpern sie ein System von Kontrolle, Gewalt und Unterdrückung, dem der Einzelne schutzlos ausgeliefert ist.

In ihrem Videofilm Roadworks hat Mona Hatoum die mehr als 30-minutige, gleichnamige Performance auf eine filmische Collage von 6‘45‘‘ verdichtet, die sich vor allem auf die Reaktion des Publikums konzentriert. (I found myself in this rare situation of creating work which although personal/autobiographical, had an immediate relevance to the community of people it was addressing.) „Ich befand mich in der seltenen Situation, eine Arbeit zu schaffen, die, obwohl sie persönlich/autobiografisch geprägt war, eine unmittelbare Relevanz für die Gemeinschaft der Menschen hatte, die ich damit ansprach“, erklärt die Künstlerin. 1995 hat sie aus einer Einzelaufnahme dieser Performance eine großformatige Fotografie herstellen lassen.

Mona Hatoum, die 1952 als Kind von palästinensischen Eltern in Beirut geboren wurde, bedient sich in ihrem poetischen und politischen Oeuvre einer Vielzahl unterschiedlicher Medien, angefangen von Arbeiten auf Papier, Fotografien, Skulpturen bis hin zu Performances und Installationen. Seit 1975 lebt sie in London, wo sie sich auf einem Kurzbesuch befand und der Ausbruch des Bürgerkriegs im Libanon eine Rückkehr in ihre Heimat verhinderte.

Sie hat an zahlreichen bedeutenden Ausstellungen teilgenommen, darunter die Biennale von Venedig (1995 und 2005) und die Documenta (2002 und 2017). Zu den jüngsten Einzelausstellungen gehören eine große, vom Centre Pompidou, Paris, organisierte Übersichtsausstellung (2015), die zur Tate Modern, London, und KIASMA, Helsinki, wanderte (2016), sowie eine US-Tournee in der Menil Collection, Houston (2017) und der Pulitzer Arts Foundation, St. Louis (2018). Darüber hinaus wurde sie mit vielen Preisen ausgezeichnet, wie zum Beispiel dem Joan Miró Prize (2011), dem 10. Hiroshima Art Prize (2017) und dem Praemium Imperiale (2019).

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