Ein Gespräch zwischen der Sammlung Goetz und der Künstlerin über tägliche Motivation und Inspiration
Was ist Deine tägliche Motivation, Laurie Simmons?
Da ich die meiste Zeit meines Lebens Künstlerin war, musste ich meine tägliche Motivation nie in Frage stellen. Ich habe nie in Frage gestellt, warum ich jeden Tag aufwache oder was ich tun soll. Es ist eher die Situation, den Kopf und die Hände frei zu bekommen, um arbeiten zu können. Wie bei den meisten Künstlern, Schriftstellern oder Musikern sind die Tage besser, wenn man ins Atelier gehen kann. Die aufgezwungene Isolation des letzten Jahres und die Traurigkeit und das Trauma der politischen und sozialen Gerechtigkeitsfragen in meinem Land haben für einen endlos langen negativen Nachrichtenzyklus gesorgt, der süchtig macht. Ich versuche, jeden Tag einen Spaziergang in der Natur zu machen - um all den negativen Nachrichten entgegenzuwirken. Ich bemühe mich auch, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben. Ich fühle mich glücklich in meiner derzeitigen Situation - ich lebe und arbeite in einer ländlichen Gegend mit meinem Partner, der auch Künstler ist. Ich kenne viele Menschen, die sehr allein waren und immer noch mit dieser neuen Realität zu kämpfen haben.
Woher nimmst Du in diesen Zeiten Deine Inspiration?
Das Jahr in der Abgeschiedenheit bedeutete weniger Reisen, weniger gesellschaftliche Veranstaltungen wahrzunehmen und damit weniger Verpflichtungen zu haben – also blieb mehr Zeit für Kontemplation, Lesen und Musik hören, für Filme und Zoom-Vorträge aus aller Welt (Menschen, die ich sonst nie zu sehen oder zu hören bekommen hätte, konnte ich digital live folgen, von der Aktivistin und Philosophin Angela Davis bis hin zur neuen amerikanischen Vizepräsidentin Kamala Harris; ebenso konnte ich an vielen Vorträgen von Künstlern und Kuratoren teilnehmen). Das Ganze war mehr eine Lernphase als eine kreative Phase, denn die Welt hat sich so dramatisch und rasch verändert – viele meiner früheren Ideen fühlten sich für mich nun nicht mehr richtig an und ich musste mich oft neu sortieren. Normalerweise bin ich etwas frustriert, wenn ich nicht regelmäßig arbeiten kann, aber diese Zeit war so fruchtbar für meine Gedanken, dass ich erst jetzt richtig anfange sie zu ordnen, um neue Arbeiten zu schaffen.
Woran arbeitest Du gerade?
Ich spreche nicht gerne über Ideen, die gerade erst im Entstehen sind, aber eine allgemeine Beschreibung meiner Arbeit ist bspw., dass es darum geht, sich von festgefahrenen Mustern zu befreien; Objekte, Gedanken und Menschen loszulassen, die einem nicht gut tun, die überflüssige Last sozusagen abzuschütteln, um zu versuchen zur wahren Essenz der Dinge zu gelangen. Ein Großteil der unglaublichen rassenbezogenen Schriften, die ich gelesen habe, spricht über das Loslassen des Weißseins. Wenn Sie bspw. eine weiße Person in den Vereinigten Staaten sind und Teil einer sich verändernden Zukunft sein wollen, müssen Sie bereit sein, bestimmte Dinge aufzugeben, die für selbstverständlich gehalten werden. Ich weiß, dass ich nicht die einzige Person bin, die Fragen zu den Werten der "früheren Zeiten" hat. Ich denke aber, dass wir alle in einer Welt leben wollen, die danach strebt, ein besserer Ort zu sein.